Medizintechnik: Hohe Anforderungen an Werkzeuge und Verfahren

Werkzeuge für die Herstellung von Medizinprodukten sollen stets hohe Präzision und Zuverlässigkeit sicherstellen, denn kaum eine Branche ist stärker reglementiert. Mit der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) wurden die hohen Qualitätsanforderungen erneut unterstrichen und ein System zur Identifizierung und Rückverfolgung von Produkten eingeführt. In der Produktion sind daher Wiederholgenauigkeit und validierte Herstellungsprozesse besonders wichtig.

Gerade weil umfangreiche Validierungsprozesse nötig sind, um eine Freigabe zur Fertigung zu erhalten, sind die Herstellungsprozesse später nicht mehr oder nur sehr schwer abzuändern. Änderungen im Zerspanungsprozess und bei der Werkzeugauswahl müssen daher sehr gründlich geplant und getestet werden.

Grundsätzlich unterscheidet man bei den herzustellenden Werkstücken unterschiedliche Teilefamilien: Implantate, Instrumente und Schneidwerkzeuge für den Einsatz bei Operationen. Als Fertigungsverfahren kommen Drehen, Fräsen, Wirbeln und Bohren in Frage. Dabei werden kaum Standardwerkzeuge eingesetzt, sondern vielfach individuell gefertigte Spezialwerkzeuge für jeweils bestimmte Medizinprodukte.

Immer häufiger kommen auch additive Fertigungsverfahren zum Einsatz, um etwa individualisierte patientenspezifische Implantate zu realisieren.

Oberflächenbearbeitung

Die Beurteilung der Oberflächengüte hängt stark von der Art des Produktes ab. Bei Implantaten wird oft gar nicht poliert, sondern im Gegenteil noch aufgeraut, um ein besseres „Einwachsen“ des Implantats in die Körpersubstanz zu ermöglichen. Bei chirurgischem Besteck dagegen ist die Oberflächengüte nach dem Hochglanzpolieren extrem hoch. Das ist wichtig für eine geringe Keimanhaftung. 

Werkstoffe bestimmen die Auswahl des Werkzeugs

Im Fokus der Werkstoffauswahl stehen die jeweils erforderlichen thermischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften der Werkstoffe, die Bearbeitbarkeit der Oberflächen sowie die Sterilisierbarkeit mit üblichen Verfahren. Darüber hinaus wird häufig eine enorme Korrosionsfestigkeit sowie die Biokompatibilität gefordert.

Häufig verwendet werden Titanlegierungen, Keramiken oder faserverstärkte Kunststoffe. Für die Zerspanungswerkzeuge stellen diese Werkstoffe in der Regel eine Herausforderung dar, weil entsprechend den Anforderungen der Medizintechnik ausgerechnet die Legierungsbestandteile, die das Zerspanen vereinfachen würden, wie Schwefel und Phosphor, nicht oder nur in sehr geringem Prozentsatz vorhanden sein dürfen. Zusätzlich müssen die Oberflächen der Werkzeuge für die Medizintechnik besonders behandelt und gegebenenfalls auch beschichtet werden. Damit sich keine unerwünschten Stoffe am Bauteil ablagern, ist auch auf die Unbedenklichkeit dieser Beschichtung zu achten.

Im Wesentlichen werden körperverträgliche Werkstoffe wie Titan Grade 1 bis 5, Cobalt-Chrom-Legierungen sowie auch sehr viele Chrom-Nickel-Stähle wie 1.4035, 1.4441, 1.4057 oder 1.4571 verarbeitet. Diese Werkstoffe weisen zum einen eine sehr hohe Zugfestigkeit von 800 bis 900 N/mm und zum anderen auch Härten von 220 bis 250 HB30 auf.

Titan reagiert bei hohen Temperaturen chemisch sehr stark mit dem Schneidstoff des Werkzeugs, was zu einem schnellen Verschleiß führen kann. Darüber hinaus hat Titan eine ungünstige Wärmeleitfähigkeit, so dass die Wärme während der Bearbeitung hauptsächlich über das Werkzeug abgeführt werden muss.

An Kunststoffe richten sich vielfältige Anforderungen: Hitzebeständigkeit bei sterilisationsbeständigen Kunststoffen, Undurchlässigkeit für Röntgenstrahlung, geringe Dichte zur Einsparung von Gewicht bei Instrumenten oder Farbigkeit zur Kennzeichnung von Größe oder Anwendung. Dies führt zur Verwendung von Duro- und Thermoplasten; PEEK, PP, PPSU, UHMWPE oder POM sind weit verbreitet. Allen gemeinsam ist die geringe Wärmeleitfähigkeit. Die Zerspanungswärme muss daher mit dem Span abgeführt werden.
 
Kohlenstofffaser-(verstärkter)-Kunststoff, sogenanntes CFK, oder Carbon, besteht aus der C-Faser und einer Kunststoffmatrix, zumeist Epoxidharz. Die Zerspanung erfolgt hier durch Brechen der Fasern. Dieses Material ist hitzeempfindlich, da die Matrix degenerieren kann. Außerdem besteht auch die Gefahr, dass CFK delaminiert. 

Für Werkzeuge zur Bearbeitung von Knochenmaterial werden in der Mehrzahl Edelstähle benutzt.

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Spezialfall Biokompatibilität

Die Frage der Biokompatibilität stellt sich in erster Linie dann, wenn Produkte direkt beim Patienten eingesetzt werden sollen. Nur dann und wenn eine entsprechende Klassifizierung erforderlich ist, muss Biokompatibilität vorliegen. Biokompatibilitätsprüfungen sind fester Bestandteil der Beurteilung des biologischen Risikos. Sie beurteilen die Verträglichkeit eines Medizinprodukts mit einem biologischen System und untersuchen dabei die Wechselwirkungen zwischen dem Produkt und den verschiedenen Arten von Körpergewebe und Zellen, die bei der Anwendung des Produkts am Patienten mit dem Produkt in Berührung kommen. Die erfolgreiche Prüfung nach ISO 10993 ist ein standardisierter Nachweis der Verträglichkeit und als solcher erforderlich für die Zulassung von Medizinprodukten. Der erste Schritt dahin ist die Zytotoxizitätsprüfung nach ISO 10993-5. Zytotoxizitätstests bestimmen mithilfe von Zellkulturen das Potenzial für Zellschäden bei Kontakt mit dem Medizinprodukt. Ein solcher Zytotoxizitätstest kann vom Zerspanungswerkzeughersteller auf seine Hartmetalle und/oder Beschichtungen angewendet werden, um eine Kreuzkontamination zu verhindern. Theoretische Rückstände am Medizinprodukt können bei bestandener Prüfung als unbedenklich eingestuft werden.

Zerspanungswerkzeuge im Fokus

Im Gegensatz zu körpermanipulierenden Werkzeugen werden die Zerspanungswerkzeuge zur Herstellung von Medizinprodukten genutzt und kommen dabei nicht selbst mit dem Körper in Berührung. Dennoch wird zunehmend auch die Dokumentation von Prozessen bei der Medizinprodukte-Herstellung zum zentralen Thema. Mit den neu in Kraft tretenden Regularien ist der erste Baustein einer wesentlich transparenteren Fertigung gelegt und wird voraussichtlich in Zukunft detaillierter abverlangt werden.

Das Umfeld der Medizinprodukte zählt

Wenn Medizinprodukte wie Werkzeuge oder Instrumente im und am menschlichen Körper eingesetzt werden sollen, müssen auch die Umgebungsbedingungen „medical“ sein. Für diese Produkte gibt es spezielle Wartungen und Inspektionen. So dürfen zur Reinigung und Aufbereitung nur bestimmte Mittel und Prozesse angewendet werden. Nach speziell ausgearbeiteten Plänen und Abläufen werden diese Werkzeuge und Instrumente in kontrollierten Räumlichkeiten aufbereitet. Schließlich müssen sich diese Werkzeuge risikoarm nach der Wartung, Reinigung und Inspektion auch wieder in einem körpernahen Umfeld einsetzen lassen.