Bearbeitung von Nickelbasislegierungen

Wo sehr hohe thermische und mechanische Belastungen vorherrschen - wie bei vielen Bauteilen in der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie oder der Energieerzeugung - werden häufig Bauteile aus Nickelbasislegierungen eingesetzt. 

Was sind Nickelbasislegierungen?

Nickelbasislegierungen sind Werkstoffe, deren Hauptbestandteil, das Schwermetall Nickel, mit mindestens einem anderen chemischen Element (meist mittels eines Schmelzverfahrens) erzeugt werden. Zur Verwendung kommen Nickel-Kupfer-, Nickel-Eisen-, Nickel-Eisen-Chrom-, Nickel-Chrom-, Nickel-Molybdän-Chrom-, Nickel-Chrom-Kobalt-, niedriglegierte Nickellegierungen (mit einem Nickelanteil von bis zu 99,9 %) und andere Mehrstofflegierungen. 

Knetlegierungen und Gusslegierungen

Im Allgemeinen wird in zwei Gruppen von Nickelbasislegierungen unterschieden: Knetlegierungen und Gusslegierungen. Knetlegierungen werden im Turbinenbau für Scheiben und Ringe verwendet und eignen sich aufgrund ihrer Eigenschaften für einen Temperaturbereich bis 730 Grad Celsius. Gusslegierungen werden hauptsächlich für Bauteile mit hohen thermomechanischen Lasten und komplexer Geometrie verwendet. Dabei werden die Bauteile endformnah mit einem polykristallinen Gefüge gegossen und nur noch geringfügig mechanisch bearbeitet. 

Eigenschaften von Nickelbasislegierungen

Insbesondere die verbreiteten Nickel-Chrom-Legierungen zeichnen sich durch extreme Wärmebeständigkeit bis rund 750 Grad Celsius aus, können also dauerhaft Belastungen nahe dem Schmelzpunkt aushalten. Gleichzeitig zeigen sie eine hohe Dehnbarkeit und Festigkeit, sowie geringe Wärmeleitfähigkeit bei gleichzeitig guter Kaltverformbarkeit und hoher Korrosionsbeständigkeit. Niedrige Dichte, hohe chemische Beständigkeit und hohe Verschleißfestigkeit machen die Legierungen insbesondere für solche Hochtemperaturanwendungen interessant, bei denen Aluminium und Stahl instabil ist.

Genau diese guten Einsatzeigenschaften der Legierungen erschweren andererseits die mechanische Bearbeitung: Bei einer geringen Werkzeugstandzeit können nur relativ geringe Schnittgeschwindigkeiten genutzt werden. Bei der Bearbeitung mit unbeschichteten Hartmetallwerkzeugen von Aluminium sind Standzeiten von mehreren Tagen üblich, bei Gusseisen mit Kugelgraphit sinken diese auf etwa eine Stunde und liegen bei Nickelbasislegierungen zwischen fünf und zehn Minuten. 

Schneidstoffe für Nickelbasislegierungen

Schnellarbeitsstahl

„High-Speed-Steel (HSS)“ wird bei der Bearbeitung von Nickelbasislegierungen aufgrund der hohen Zähigkeit für Anwendungen mit unterbrochenem Schnitt wie Fräsen, Gewindeschneiden, Räumen und Stoßen eingesetzt. Bei Nickelbasislegierungen sind Schnittgeschwindigkeiten in einem Bereich von 5 bis 10 m/min anwendbar. Zahnvorschübe können aufgrund der Zähigkeit von HSS mit 0,1 bis 0,16 mm relativ hoch gewählt werden.

Hartmetall

Hartmetalle (HM) bestehen aus metallischen Karbiden, in der Regel Wolframkarbid, die in eine weiche metallische Bindephase eingebettet sind und gehören damit zu den Verbundwerkstoffen. In der Regel werden Werkzeuge aus Hartmetall bei Nickelbasislegierungen mit vergleichsweise geringen Schnittgeschwindigkeiten von 20 bis 40 m/min eingesetzt. Höhere Schnittgeschwindigkeiten führen zu einer raschen Überlastung des Schneidstoffes und können daher in den meisten Fällen nicht prozesssicher angewendet werden. 

Bornitrid

Das kubische Bornitrid (cBN) ist nach Diamant das zweithärteste bekannte Material. Damit ist es härter, verschleißfester und teurer als Schneidkeramik. Aufgrund der Eigenschaften von cBN können bei der Drehbearbeitung hohe Schnittgeschwindigkeiten realisiert werden. Für das Fräsen von Nickelbasislegierungen wird cBN nicht eingesetzt. Bei der Drehbearbeitung von Inconel 718 dagegen schon. Es werden Schnittgeschwindigkeitsbereiche zwischen 160m/min und 240 m/min empfohlen. Im direkten Vergleich mit TiAlN beschichteten HM Werkzeugen hat cBN bei einer Schnittgeschwindigkeit vc von 50m/min eine bedeutend längere Standzeit. Für das Schlichtdrehen von labilen Strukturen ist cBN im industriellen Einsatz erste Wahl. 

Schneidkeramik

Schneidkeramiken werden aus Keramikpulvern ohne Zugabe von Bindemitteln gesintert. Die DIN ISO 513 teilt die Schneidkeramiken in fünf Gruppen ein:

CA = Schneidkeramik, Hauptbestandteil Aluminiumoxid (Al2O3)

CM = Mischkeramik, Hauptbestandteil Aluminiumoxid (Al2O3), zusammen mit anderen Bestandteilen als Oxiden

CN = Siliziumnitrid-Keramik, Hauptbestandteil Siliziumnitrid (Si3N4 )

CR = Whiskerverstärkte Keramik, Schneidkeramik, Hauptbestandteil Aluminiumoxid (Al2O3)

CC = Schneidkeramik, alle oben genannten, jedoch beschichtet

Keramische Werkzeuge behalten ihre Härte auch bei den hohen Temperaturen, die beim Fräsen hitzebeständiger Superlegierungen (HRSAs) auftreten. Dadurch kann im Vergleich zu Vollhartmetallwerkzeugen die 20- bis 30-fache Geschwindigkeit erreicht werden.

Keramikschneidstoffe kommen ursprünglich aus der Drehbearbeitung. Die thermische Belastung bleibt beim Drehen relativ stabil. Beim Fräsen variiert die Temperatur an der Schneide hingegen, weil der Schnitt unterbrochen wird. Der abrupte Wechsel von Reibungshitze und Abkühlung belastet die Schneide. Um einen Thermoschock durch Abkühlung des Werkzeugs zu verhindern, wird beim Fräsen mit Keramikschneiden ohne Kühlschmierstoffe gearbeitet. SiAlON-­Keramiken (Silizium-Aluminiumoxid-Nitrid) sind generell unempfindlicher gegenüber Temperaturschwankungen als Whisker-verstärkte Keramiken, für Fräsoperationen sind sie deshalb die bessere Wahl. 

Grundvoraussetzung für das Fräsen mit Keramikschneiden sind Hochgeschwindigkeits-Fräsmaschinen, die in der Lage sind, die Spindel auf teilweise über 10.000 U/min zu beschleunigen, was für die Werkzeuge eine zusätzliche Herausforderung bedeutet.

Während Werkzeugsysteme mit keramischen Wendeschneidplatten in vielfältiger Form auf dem Markt verfügbar sind und in der Industrie eingesetzt werden, sind Fräswerkzeuge unter 16 mm Werkzeugdurchmesser aus den genannten Gründen noch nicht so weit verbreitet. Hier waren Werkzeuge aus Schnellarbeitsstahl und Hartmetall lange Zeit alternativlos.

Neben dem temperaturbedingten chemischen Verschleiß erfolgt bei keramischen Schneidstoffen häufig eine Aufbauschneidenbildung: In der Hitze, die in der Bearbeitungszone erzeugt wird, bilden sich Metalldämpfe, die mit der Oberfläche des Schneidstoffs verschmelzen - beim Ab­lösen können Teile der Keramik abplatzen.